Donnerstag, 4. April 2013

In Between Worlds - Zwischen Den Welten {Geschreibsel}


(ICH WARNE VOR!! Angedeutete Gewalt, Sarkasmus & Stimmungsschwankungen)

Es ist still hier. Ich höre rein gar nichts.
Da liegt ein Mädchen unter mir.
Sie ist hübsch. Vielleicht ein bisschen bleich, aber das steht ihr und lässt sich bestimmt mit ein wenig Sonne beheben. Sie hat ihre Augen weit aufgerissen, aber ich kann ihre Pupillen nicht sehen- nur das Weiße darin- und den Mund leicht geöffnet, als würde sie Schmerzen leiden. Ob ihr etwas weh tut? Ich hoffe nicht. Obwohl… ihr rechter Arm sieht etwas …ramponiert aus. Er steht in einem Winkel ab, der mit Sicherheit nicht normal ist.
Ihr Anderer ist unter ihren Körper gedreht. Warum nimmt sie den da nicht weg? So wird er ihr bestimmt einschlafen. Und was zur Hölle hat sie mit ihren Handgelenken gemacht? Die waren ja… nicht mehr da? Nur noch Knochen an denen Haut hing. Ich schüttelte mich und fasste mir an die eigenen Handgelenke. Dieser Anblick kam mir bekannt vor. So sahen meine und ihre Fußgelenke nämlich auch aus. Dem Hals ging es etwas besser, aber man sah, dass auch er irgendwie abgequetscht wirkte. Jetzt musterte ich sie genauer, mit einer bösen Vorahnung.
Sie ist schlank, muss ich sagen. Hat ganz schön lange Beine. Beneidenswert. Aber das ist komisch. Wieso zeigt der Fuß und das Knie in die falsche Richtung?
Dabei fällt mir auf, sie hat heute das gleich an wie ich. Was für ein lustiger Zufall. Ein grauer Pulli –meiner hat aber keine roten Punkte- und ein ebenfalls blutrot gesprenkelter blauer Wickelrock. Der gefällt mir ohne Punkte aber besser. Ich betrachtete sie genauer.
Generell sieht ihre Körperhaltung ziemlich ungemütlich aus… ob ich ihr aufhelfen sollte? Ich denke schon.
Ich streckte meinen Arm nach vorne und griff nach ihrer Hand.
Dann sah ich auf meine Beine um sie so zu stellen das sie genu- MOMENT! W-Wo sind m-meine Beine?
Meine Augen weiten sich.
Dann sah ich schnell auf meine Hand nur um beruhigt festzustellen, dass -die auch nicht da ist!!
Was zur Hölle geht hier vor?!? Panisch sah ich mich um. Da standen Menschen um das Mädchen unter mir. Und ich- ich schwebte über mir.
Über MIR?!?! Moment! Das bin tatsächlich ICH??! Ich liege da als LEICHE!!! HUH? Was ist denn jetzt kaputt?
Okay… ganz ruhig. Warum bin ich tot?



Bevor ich meine Gedanken ordnen konnte, drang ein Schrei durch meine stumme Welt. Und mit diesem Schrei kam der Lärm der Außenwelt. Mit einem Schlag. Ich hörte Motorengeräusche auf der entfernten Straße. Roch das Blut das aus der Schusswunde in meiner Brust drang. Spürte den Kies des Parkweges unter mir und merkte wie mich die Kraft verließ. Mein Körper unter mir starb. Starb durch die Kugel die meinen Brustkorb durchlöchert hat. Und ich hing hier als kleine leuchtende Kugel die niemand zu sehen schien. Sie standen da, mit vor Schock geweiteten Augen, die Hände vor Ekel vor den Mund geschlagen. Keiner kam auf die Idee einen Krankenwagen zu rufen. Obwohl ich bezweifelte das mir das noch helfen würde. Ich sah mich um, nach der Stimme die die Geräusche und Gefühle zurück in meine Welt gebracht hatte. Ich sah in die Gesichter die mich umringten. Sah Tränen, Mütter die ihre Kinder davontrugen, sah das Gesicht das hämisch grinste und aus der Menge verschwand, wusste, dass mein Mörder damit entkommen war und suchte weiter. Suchte nach einem Anhaltspunkt der so surreal war, dass ich merkte dass das hier nur ein Traum war. Das KONNTE nur ein Traum sein. Es war unmöglich, dass ich einfach so als faustgroßes Licht durch die Gegend flog. Oder war es das, was mit  den Seelen nach dem Tod geschah?
Konnte mir denn niemand helfen?
Mit wachsender Verzweiflung sah ich in die Menge. Irgendeine Gesichtsregung, die mir zu erkennen gab das alles gut war. IRGENDWAS!
Aber nichts Es blieb still in all dem Lärm. Ich war verloren. Ich würde sterben. So ein Scheiß aber auch. Ich war ja schon tot.
Jetzt hatte er nicht nur meinen Willen gebrochen, sondern auch noch meinen Körper ausradiert. Meine Existenz würde zu den Akten gelegt werden, da niemand ihn würde finden können. Den Kerl der mich missbraucht und auf dem Gewissen hatte.
Ich seufzte und fragte mich wie das möglich war. Ich war eine schwebende Seele, ich hatte keinen Mund.
Theoretisch hätte ich jetzt den Kopf geschüttelt, aber auch das war nicht möglich.
Ich sah noch einmal auf meinen Körper. Das Blut hatte meinen Lieblingspullover nun vollkommen ruiniert. Lustig das einem sowas auch noch auffällt, wenn man schon das zeitliche gesegnet hat.
Wie sie wohl den Gehweg von meinen Organen säubern wollten…?
Erneut ’seufzte’ ich und dann wandte ich mich ab.
Ich würde jetzt durch die Stadt fliegen und als Geist Leute heimsuchen. Meinen toten Körper überließ ich den dummen gaffenden Leuten und der Presse. Sowas war für die doch immer ein gefundenes Fressen.
Mal schauen ob ich noch Gegenstände bewegen konnte- ehhhh nix da. Wie sollte ich das machen ohne Hände? In Telekinese war ich noch nie gut. Genau genommen hatte ich Gegenstände angestarrt und gehofft das sie zu mir fliegen würden. Wie zum Beispiel jahrelang der Schlüssel zu meiner Zelle und den Ketten die an meinen Handgelenken hingen. Als es denn endlich mal funktioniert hat – ihm ist  der Schlüssel aus der Tasche gefallen als er sich die Hose wieder angezogen hatte, nachdem er mich vergew…- ist mir der Schlüssel vor der Nase gelandet und ich hatte mit dem Schlüssel im Mund meine Fesseln gelöst und war abgehauen. Dann hat er mich erschossen. Klasse sowas. Ehrlich jetzt. Sowas ist immer das was sich ein siebzehnjähriges Mädchen wünscht. Brutalen aufgezwungenen Sex und dann den Tod.
Mittlerweile war ich aus dem Park heraus geschwebt und beschloss, mich einfach mal vom Wind durch die Gegend pusten zu lassen.
Lies mich treiben, ohne auch nur die geringste Ahnung wohin. Ich habe keine Ahnung wie lange ich ohne nennenswerte Ereignisse durch die Gegend gondelte, doch ich hatte schon mehrmals die Sonne auf- und untergehen sehen.
Aus meiner erhöhten Position war so ein Naturspektakel sogar noch schöner, als von der Erde aus.
Ich entspannte meinen Körper-… Ich meinte, ich würde jetzt theoretisch meine Muskeln entspannen, aber ich war ja ein Licht. Und so langsam kotzte mich das an. Ich konnte durch NICHTS ausdrücken was ich dachte oder fühlte. Das mit dem Reden funktionierte schon, aber es brachte mir herzlich wenig, denn kein Schwein hörte mich.
Ich entspannte also theoretisch meinen Körper und ließ mich vom Wind wieder höher tragen.
Er trieb mich höher als ich erwartet hatte. Über die Dächer der Stadt –ich habe keine Ahnung welche, nur, dass es unglaublich viel Verkehr und Leuchtreklame gibt-, in Richtung Hochhäuser. Unter mir hörte ich den Krawall der Stadt, das Hupen der Autos schien mir zu folgen.
Ich sah hinunter. Als ich noch lebte hatte ich Höhenangst, aber jetzt war mir die Entfernung zwischen mir und dem Boden egal. Was mich eher erschreckte war die dunkle Gestalt die genau unter mir von einem Autodach zum nächsten sprang. War der lebensmüde?!? Oh, aber wenn er starb hatte ich wenigstens Gesellschaft hier oben, das durch-die-Gegend-treiben-lassen wurde nämlich langsam langweilig.
Argh! Sowas darfst du nicht denken, Ane!!! Das macht dich zu einem schlechten Menschen!
Zum Glück schien der Typ mich sowieso nicht gehört zu haben –wie auch? - und hüpfte munter weiter.
Mag ja sein das ich tot war, aber der Typ war irre. Ich verdrehte die Augen. Ob man das sah, wenn Licht die Augen verdreht? Da mich sowieso NIEMAND sah, beschloss ich solche Sachen in Zukunft zu ignorieren.
Ich beschloss so zu tun als wäre ich menschlich und begab mich auf die Höhe der Menschen um mich herum. Das wäre jetzt meine Kopfhöhe, wenn ich meinen Körper noch hätte.
Solchermaßen zufrieden drehte ich mich in die Richtung des Autodach-Springers um zu schauen wie das aus dieser Perspektive aussah, nur um festzustellen, dass er auf einem fahrenden Auto stehen geblieben war und sein Mantel –unter dem er übrigens nichts trug außer seiner schwarzen Hose- wehte im Fahrtwind und man konnte seine Bauchmuskel seeehr gut sehen, da er sich meiner Seite des Bürgersteiges zuwandte. Ich stieß einen leisen Pfiff aus. Eieiei… der sah guuuuut aus. Ich musste grinsen. Da mich kein Schwein hörte oder sah konnte ich glotzen ohne das irgendjemand mich eine Spannerin nannte… ein großes Plus fürs Tod sein.
Ich sah mich kurz auf dem Bürgersteig um, um zu sehen ob mich wirklich niemand sah und wurde auf die makaberste Art und Weise in meiner Vermutung bestätigt. Der Typ mit Aktentasche und Hut sah nicht nur durch mich hindurch, er ging durch mich durch!!
Was für eine Frechheit! Über die ich mich mit Sicherheit fürchterlich aufgeregt hätte, wäre es nicht ein viel zu gruseliges Gefühl gewesen wie sein Körper meinen wie Luft behandelte. Die ich ja auch war. Leuchtende Luft. Ein weiteres ungehörtes Seufzen entrang sich meinen Lippen.
Als ich mich wieder zum Autodach-Springer umsah stand er plötzlich genau vor mir. Und wenn ich sage genau vor mir, dann meine ich auch genau vor meiner Nase!! Und er starrte exakt auf den Fleck an dem ich schwebte, als könne er mich sehen. Was er aber garantiert nicht tat.
Ich beschloss also ihn einer genaueren Musterung zu unterziehen und schwebte einmal vor seinem Körper hinab und dann wieder rauf. Wobei ich bei seinem wahnsinnigen Sixpack ein wenig sabberte. Als ich wieder auf Augenhöhe angekommen war, bemerkte ich dass er mir mit seinen Augen folgte und wäre wohl rot geworden, wenn ich könnte.
Jetzt fing er auch noch an zu grinsen.
Ein Schauder lief mir über den Rücken. Warum grinst der Typ mit einem Zahnpastawerbungslächeln in die Luft? Dahin wo ich war, und er mich nicht sehen dürfte!!!!
Irgendwas stimmte mit dem Kerl doch nicht. Langsam flog ich ein Stück rückwärts. Weg von ihm, in die Menschenmenge.
Er allerdings machte darauf hin einen Schritt auf mich zu und ich bekam langsam Angst vor ihm.
Wie ich aus zahlreichen Mangas und Animes wusste, konnten nur Todesgötter –also Shinigami- verloren gegangene Seelen sehen. Aber das waren nur Fiktionen. Das konnte nicht sein. Wenn er mich hier wegholen wollte, würde er mich in die Hölle bringen!!! Was ich als junges Mädchen angestellt haben könnte um die Hölle verdient zu haben? Tja, durch einen gewissen Mister mit seiner Knarre war ich schon etwas länger alles andere als rein.
Bei der Erinnerung musste ich schlucken. Diese Gedanken halfen mir auch nicht besonders mit meiner jetzigen Situation besser klarzukommen.
Ich will nun mal nicht in die Hölle!
Entschlossen darüber mich nicht zu Satan bringen zu lassen, schwebte ich so schnell ich konnte davon.
Panisch flüchtete ich mich in die nächst beste dunkle Gasse, nur um vor einer Mauer zu stehen. Na toll ey!
Ne Sackgasse immer dann wenn man sie mal nicht brauchte. Das ich theoretisch durch die Wand durchfliegen konnte, das viel mir erst viel später ein- und ich hätte mich gerne dafür geohrfeigt.
Ich schnaubte wütend. Die Welt hatte sich gegen mich verschworen, wo sollte ich denn jetzt hin? Der einzige Fluchtweg führte wieder raus aus der Gasse und da stand der Irre mit wehendem Umhang! Und jetzt?!? Panisch sah ich mich um. Verstecken brachte nichts, schließlich sieht er mich ja. Vermutete ich jetzt mal. An der Wand hochklettern? Momentchen mal!!
Gedanklich schlug ich mir auf die Stirn. Ich dachte immer noch viel zu menschlich.
Mit einem schadenfrohen, gehässigen Lächeln schwebte ich nach oben, außerhalb seiner Reichweite drehte ich mich noch kurz um und kicherte. Er starrte zu mir hoch, wahrscheinlich verärgert darüber, dass er mich nicht mehr zu fassen bekam. Hach ja, Menschen ärgern ist was Feines. Ein weiteres Plus fürs Tod sein. Fliegen war einfach praktisch.
Als ich langsam und gemütlich in den Himmel stieg spürte ich auf einmal eine Hand um mich.
Erste Reaktion: Kreischen und handloses wild um mich schlagen. Allerdings sehr nutzlos.
Zweite Reaktion: Hilfe! Er hat mich!!
Dritte Reaktion: Moment, wieso kann er mich anfassen?? Ich bin ein Geist! Hallo? Physikalische Gesetzte, hört ihr mich? Geister sollte man nicht anfassen können!
Vierte Reaktion: Wie kommt der hier oben überhaupt an?
Fünfte Reaktion: Schockiertes Bemerken, dass es abwärts geht. Und das etwas schneller als für den Aufprall gesund wäre.
Sechste Reaktion: Resigniertes Augenschließen und sich damit abfinden zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage zu sterben.
Letzter Gedanke: So’n Scheiß aber auch.
Reaktion bei ausbleibendem Aufprall: Vorsichtiges Augenöffnen und –ARGH!!! Jetzt reichts! Ich bin doch kein Computer.
Also, er hat mich erwischt und wir sind etwas zu schnell gen Boden gerast. Ich habe mit meinem Geisterleben bereits abgeschlossen und war deswegen umso irritierter als kein Aufprall kam. Stattdessen bemerkte ich nur eine große Hand die mich immer noch festhielt. Gaaaaanz langsam und vorsichtig öffnete ich meine Augen. Und sah dem Typ mit Umhang ins Gesicht.
Er guckte jetzt irgendwie recht desinteressiert, so als hätte meine Flucht mich vollkommen identifiziert, als wäre ich nur noch ein Geist unter vielen. Und das war ich höchstwahrscheinlich auch.
Ich sah ihn an. Verschreckt und unsicher. Ob ich mal versuchen sollte zu sprechen?
Nö, ich finde, er hat mich eingefangen, er soll sich zuerst vorstellen.
Abwartend sah ich ihn an. Ob da wohl noch eine Reaktion kam?
Ich legte den Kopf schief. Dabei musste ich feststellen, das bei der Geste meine Gesamte Lichtkugelexistenz auf die Seite kippte. Aha, das Ding ist also ein Kopfersatz. Ich brauchte nur noch einen Körper, dann wäre ich ein Lichtmännchen. Bei dem Gedanken musste ich kichern. Als ich wieder in das Gesicht von Mister ich-sag-einfach-mal-garnix sah, verstummte mein Kichern sofort. Er hatte eine Augenbraue hochgezogen und sah mich missbilligend an. Na toll, dachte der werte Herr etwa ich lachte ihn aus?
Wie auch immer. In Gedanken verschränkte ich die Arme vor der Brust und tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden. Schön, wenn man wieder gerade stehen kann –wenn auch nur in Gedanken-. Nachdem man sieben Jahren mit den Armen an einer Wand fest gekettet wurde, so, dass der Oberkörper nach vorne hängt und die Beine seitlich unter einem weggefaltet sind, zählt nun wirklich nicht zu meinen Lieblingsposen.
War für den Arsch beim Sex vielleicht ganz praktisch, aber dadurch dass er immer so an meinem Unterleib gezogen hat, waren meine Handgelenke ziemlich zerschunden. Eigentlich bestanden sie nur noch aus den Knochen, an denen mein getrocknetes Blut und ein paar Fleischfetzen hingen, nicht zu vergessen die Handschellen, die unentwegt darüber scheuerten, wohl in dem Versuch auch noch meine Knochen zu brechen. Theoretisch hätte ich ja aus den Handschellen rausrutschen können, aber dafür hätte ich auch noch meine Hand vom Fleisch befreien und skelletieren müssen und das hätte letztendlich auch nichts gebracht. Meine Füße und mein Hals waren nämlich ebenfalls in schicke Eisenketten verpackt gewesen.
Bei dem Gedanken daran, wie warm mein Blut gewesen war, dass mir überall über den Körper rann, meine Haare verklebte und auf meiner zerschundenen nackten Haut langsam trocknete, wurde mir übel. Hätte ich einen Magen gehabt, hätte der sich mir jetzt umgedreht und ich hätte dem Kerl vor mir genau ins Gesicht gekotzt.
Das hätte er zwar verdient, aber hey, ich hab auch meinen Stolz.
Theoretisch hätte ich jetzt den Kopf geschüttelt. Ich schweifte ab. Ich starrte noch immer ins Gesicht von Mr. Unbekannt und fragte mich ob ich wohl noch mal eine Reaktion bekommen würde. Sah nicht so aus.
Ich seufzte. Gut, dann ohne letzte Worte in die Hölle.
Theoretisch hätte ich jetzt eine Augenbraue in die Höhe gezogen und die Arme vor der Brust verschränkt, wenn ich nur kein Licht wäre. Mann ey! Ich begann langsam den ständigen Imperativ zu hassen! Und das Wort ’Theoretisch’.
Als der Herr Ich-brauche-kein-Hemd dann doch endlich mal den Mund aufmachte, verblüffte er mich mit dem was er fragte -und seiner tollen dunklen Stimme-: „Nanu? Kein Geschrei? Kein ‚oh, bitte lass mich los’? Kein ‚Ich bin zu jung oder zu schön um schon zu sterben’?“
Ich schmunzelte, was er wahrscheinlich nicht sah.
„Nein. Ich habe auch keine letzten Worte, die ich an diese Welt richten möchte. Du darfst mich also gerne sofort in die Hölle befördern.“
Jetzt war er an der Reihe verblüfft auszusehen.
„Warum denkst du, dass ich dich in die Hölle bringen werde?“, fragte er mit seiner samtenen Stimme. Wollte er mich auf den Arm nehmen? War er kein Shinigami, oder was war mit ihm los?
„Gibt es einen anderen Grund, warum du der einzige seit Tagen bist, der mich sieht und hört und dann auch noch ANFASSEN kann? Ich denke nicht. Darum vermute ich du bist ein Todesgott oder ähnliches und willst mich jetzt in den Himmel oder die Hölle bringen. Korrekt?“ Bei meiner Vermutung mit dem Todesgott wäre ich jetzt mit Sicherheit rot geworden –wenn ich könnte. {dämlicher Imperativ -.-“ langsam nervt mich das ganze „hätte, wäre, könnte“ etc.}
Stattdessen sah ich ihm immer noch unverwandt ins Gesicht, welches keine großartige Regung gezeigt hatte. Nur seine Augenbraue war noch höher gewandert, wenn das überhaupt möglich war.
„Sehr interessant.“, murmelte er. „Du bist die? Der? Erste, der mich für einen Gott hält.“ Erneut grinste er ein 100-Kilo-watt-lächeln. Oh nein, dachte ich sarkastisch. Ich werde erblinden, wenn er so strahlt.
Ich lächelte trocken. Was er ja schlecht sehen konnte. Vermute ich zumindest.
„Spiel dich mal nicht so auf. Ich bin tot. Und übrigens eine Sie. Ich habe schon nichts mehr zu verlieren, also tu mir den Gefallen und bring mich an den Platz an den ich gehöre.“
Er war offensichtlich nicht gewohnt, dass so respektlos mit ihm gesprochen wurde, denn er runzelte nur die Stirn. Sein Zahnpastalächeln war während meinen Worten aus seinem Gesicht verschwunden.
„Warum denkst du, dass es keinen Weg gibt dich in deinen Körper zurück zu bringen? So wie du klingst, bist du noch relativ jung. Und außerdem, warum beharrst du darauf in die Hölle zu gehören?“
Ahh… mal ein ganz schlauer. Ich verdrehte die Augen und wich mit meiner Antwort seinen Fragen halbwegs aus.
„Wenn ich tot bin, wie willst du mich dann bitte in meinen mittlerweile wahrscheinlich verwesten Körper zurückstecken? Soll ich als Mumie rumlaufen oder was?“ Ich schnaubte, um meine Worte noch zu unterstreichen.
Jetzt grinste er wieder. „Wir haben einen Weg gefunden die Verwesung eines Körpers zurück zu schrauben.“, er sagte das so, als wäre er da furchtbar stolz drauf. Doch etwas an dem was er sagte hätte mich die Stirn runzeln lassen, wenn ich es gekonnt hätte. „Wir?“, fragte ich skeptisch. Es gab mehr von seiner Sorte?
„Ja, wir. Die Back-to-body & Co Kg company.“, sein grinsen wurde breiter. Oh gott. Er war wirklich stolz darauf.
„Ist dir der Name nicht ein wenig peinlich?“, fragte ich darum, ein grinsen aus meiner Stimme verbannend.
Jetzt sah er eingeschnappt aus. Dann begann er wieder zu grinsen. „Du solltest netter zu mir sein, schließlich willst du nicht sterben und zurück in deinen Körper.“, machte er und ich hätte wieder einmal meine Stirn gerunzelt. Das hatte ich auch zu Lebzeiten gern getan.
„Könnt ihr von eurer was-auch-immer company auch Fleisch wieder an Knochen heften und ganze Fleischstücke aus den Gliedmaßen wieder herstellen? Oder nicht zum Körper gehörende Löcher wieder schließen? Zertrümmerte, lebenswichtige Organe wieder herstellen?“, wenn ja, dann würde ich meinetwegen im Staub vor ihm kriechen um wieder leben zu können. Er jedoch sah mich mit großen Augen an. „Daran arbeiten wir noch. Aber solche Tode gibt es sowieso so gut wie nie. Zum Glück…“
Ich seufzte. Aus der Traum. „Dann mal ab in die Hölle.“, meinte ich gespielt enthusiastisch.
Seine Augen wurden noch größer. „Willst du etwa nicht wieder leben? Alle betteln darum, wieder erweckt zu werden!“
Ich grunzte. „Mit einem Loch in der Brust und zerfetzten Handgelenken? Meine Lunge ist wahrscheinlich auch zerrissen, soviel Blut wie da war wohl auch noch irgendein anderes lebenswichtiges Organ. Da ihr das nicht flicken könnt, lohnt sich für mich kein Betteln und Flehen mehr. Ich werde meine Strafe mit offenen Armen empfangen.“
Jetzt stand ihm der Mund auch noch offen. „Du bist nicht an einer Krankheit gestorben?“, er hauchte diese Worte nur. Ich dagegen seufzte. Ich wollte meinen Frieden zurück.
„Ich wurde erschossen. Bringst du mich jetzt bitte in die Hölle? Ich hab keine Kraft mehr hier doof rumzuschweben.“
Jetzt runzelte er die Stirn. „Das fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.“, meinte er ernst. Ich stöhnte genervt, während er in seiner Tasche kramte und ein Handy hervorzog. Das überraschte mich, aber was hatte ich erwartet? Verständigung per Rauchzeichen wie bei den Indianern? Selbst Todesgötter leben nicht mehr im Mittelalter.
Ich sah ihm zu, wie beim Wählen seine schwarzen Haare über die hellblauen Augen fielen. Eine ungewöhnliche Kombination. Normalerweise waren blauäugige Blond.
Aber diese Zusammenstellung sah äußerst faszinierend und attraktiv aus. Während ich also wieder ins Starren verfiel, telefonierte er angeregt mit irgendwem. Dabei gestikulierte er wild und seine Bauchmuskeln spielten.
Eieiei… wenn ich noch leben würde… ich würde wahrscheinliche jede Gelegenheit nutzen ihn anzufassen. Das er mich immer noch in der Hand hielt schien er gar nicht zu merken.
Ich dafür umso mehr. Seine Hände waren ganz weich und hielten mich beinahe sanft.
Ich lächelte. Eine sanfte Berührung… wie lange war das her? Nicht länger als zu der Zeit, als ich noch im Kinderheim war, oder? Auf jeden Fall noch bevor ich von diesem Arschloch adoptiert wurde. Also schon so circa sieben Jahre nicht mehr. Waren die im Waisenhaus sanft gewesen? Ich weiß es nicht mehr.
Aber seine Berührung, war das zärtlichste was mir ein menschliches Wesen bisher entgegengebracht hatte.
Wenn ich es gekonnt hätte, ich glaube ich hätte geweint. Einfach, weil es sich so unglaublich gut anfühlte. Und ich eine solche Berührung niemals würde zurückgeben können.
Ich sah in den Himmel, doch meine Sicht verschwamm, auch ohne Tränen schluchzte ich auf.
Nur einmal. Ich möchte nur einmal Jemanden genauso vorsichtig und gewollt sanft einen anderen Menschen berühren. Warum war mir so etwas nur nicht vergönnt? Das war doch nun wirklich keine Unmöglichkeit.
Ein erneutes Schluchzen „War wohl doch zu viel verlangt…“, hauchte ich mit zitternder Stimme und geschlossenen Augen in den Himmel.
Eine Weile war es bis auf mein Schluchzen und das entfernte Motorengeräusch still.
Moment!
Erschrocken riss ich meine noch immer verschwommen blickenden Augen auf und starrte den Arm entlang, der mich noch immer hielt. An seinem Ende landete ich bei einem Paar Augen, dass mich beunruhigt und besorgt zugleich ansah.
Er sah mir zu! Während ich weinte! Ich zuckte zusammen und machte mich so klein ich konnte. Gleich würde er mich schlagen. So, wie er es immer getan hatte.
Doch nichts geschah.
Ich wartete.
„Hey…“, flüsterte dicht vor mir eine leise Stimme. „Was ist los, warum weinst du? Ist dir nicht gut? Kann ich dir helfen?“
Geschockt sah ich ihn an. „W-Warum schlägst du mich n-nicht?“, fragte ich mit noch immer zitternder Stimme.
Jetzt guckte er erst Recht irritiert und besorgt. „Willst du etwa, dass ich dich schlage?“ Unglauben schwang in seiner Stimme mit.
Ich schüttelte heftig den Kopf. Von meinem selbstsicheren Auftreten von eben keine Spur mehr.
„A-Aber er hat das immer gemacht. Er hat gesagt das geh-hört sich so…“, erneut zog ich den Kopf zwischen die nicht vorhandenen Schultern. Er starrte jetzt unverholen.
Ich war mir schon fast sicher, dass er jetzt doch zum Schlag ausholen würde, als er mich nur unbeholfen gegen seine nackte Brust drückte. Ich war zu verängstigt um das überhaupt richtig zu realisieren.
In die ungleiche Umarmung –ich war immerhin nur ein Licht- nuschelte er beruhigende Worte und empörte sich über den Blödsinn, den er mir erzählt habe.
Ich glaube er tröstete mich. Nennt man das so? Die meiste Menschenkenntnis die ich besaß, hatte ich schließlich aus Büchern. Ich war ja nicht einmal in einer Schule gewesen –sondern in einer Zelle {da beschwere sich unsereins noch mal darüber wie schlimm es doch ist, zur schule zu gehen *kopfschüttel*}.
Er hielt mich noch lange fest, doch irgendwann, ganz leise, fragte er mich, ob ich es ihm nicht erzählen wolle. Was mit mir geschah. Und wer ich war.
Nachdem ich mich als Ane vorgestellt hatte und er sich als Shiki –wir sind hier übrigens in Japan- begann ich einfach zu erzählen. Von dem Zeitpunkt an, der am weitesten in meiner Vergangenheit liegt und an den ich mich erinnerte, über mein Leben in der Zelle bis hin zu meinem Tod. Ohne Pause. Oder Luftholen.
Wer braucht schon Luft? Ich nicht mehr.
Ich weiß nicht wie lange ich sprach. Wie oft ich begann zu weinen, wenn auch ohne Tränen, oder wie oft ich nur schweigend in den Himmel starrte.
Es dauerte lange.
Shiki unterbrach mich nicht ein Mal. Er hörte mir zu. Hatte mich irgendwann auf seinen Schoß gesetzt, als er sich im Schneidersitz auf den Boden niederließ.
Er ließ mich nicht los. Nicht eine Sekunde. Er war einfach da. Und dafür war ich unendlich dankbar.
Ich erzählte so lange, bis ich zum jetzigen Standort kam. Die Geisterwelt. Die andere Welt in der Welt, in der die Menschen leben ohne von uns toten Geistern zu ahnen. Die Ebene, die zwischen der Menschenwelt und Himmel und Hölle lag. Dort, wo Shiki und ich saßen und vom Rest der Welt unbeachtet miteinander sprachen. Denn nun erzählte er. Von seinem Leben. Von seinem Sterben. Denn er war ebenfalls Tod.
Er wollte als Geist genauso wenig wie ich in seinen Körper zurück, darum gab es für ihn die Wahl, entweder vollständig sterben oder Seelen vor dieselbe Wahl stellen. Er hatte sich für letzteres entschieden. Und jetzt fragte er mich.
Verlegen drehte ich meinen Kopf zur Seite. „W-Würde ich mit dir zusammen… bleiben können…?“, meine Stimme zitterte, so unsicher war ich. Ich wollte seine Gesellschaft behalten und all die Gefühle entdecken die ich nicht kannte. Freude, Glück, Freundschaft und Liebe.
Er lachte nur.
Aber nicht, weil er mich auslachte, sondern weil er sich freute. Er war einverstanden.
Vor Freude lachend, brachte er mich –jetzt ebenfalls kichernd- zu seiner Company, deren Namen ich auf einmal gar nicht mehr so schlecht fand. Ich bekam einen neuen Körper und hatte sogar die Wahl wie ich aussehen wollte. Ich passte meinen neuen Körper meinen Erinnerungen an meinen Toten an. Bis auf ein paar Änderungen. Dieser Körper hier war nicht nur heil und gesund, nein. Ich hatte grinsend beschlossen: ich würde wie Shiki sein. Schwarze Haare und blaue Augen. So würde jeder erkennen, dass wir zusammen gehörten. Denn ich plante etwas.
Ich hatte mir fest vorgenommen, mich zu verlieben.
Ich wollte mich in Shiki verlieben. Ich habe keine Ahnung wie ich das anstelle und ich weiß auch nicht, wie ich ihn dazu bringe mich ebenfalls zu lieben, aber irgendwie schaffe ich das schon.
Irgendwie.
Irgendwann.
Jetzt hatten wir schließlich alle Zeit der Welt.
Und ich war zuversichtlich. Es würde toll werden, zu leben. Auch wenn ich tot war.


Wenn DU stirbst, und ich deine Seele aus dieser Zwischenwelt aufsammle, dann warne ich dich –Shiki gehört mir. Und ich werde noch herausfinden wie unangenehm ich werden kann, wenn ich eifersüchtig bin.
Ich werde dich genau im Auge behalten.
Du Mensch!!

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